
Der Pianist José Reinoso verfolgt mit seiner 2010 erschienenen CD Tango Jam ein klares Ziel: die musikalische Vielfalt des Tangos in Einklang mit den improvisatorischen Räumen des Jazz zusammenzubringen. So bietet er auf der CD eine Auswahl an Tangokompositionen von z.B. Agustin Bardi, Osvaldo Pugliesi u.a. an, aber auch die Piazzolla Komposition Oblivion schmückt das Tracklisting. Mit dem Bassisten Horacio Fumero und dem Schlagzeuger Diego Pinera hat er eine für den Jazz klassische Triobesetzung gewählt und bildet somit eine Grundlage sich zwischen seinen Trioarrangements der Tangokompositionen und Improvisation zu bewegen. Bei einigen Titeln werden die Arrangements mit dem Trompeter Guillermo Calliero und dem Bandoneonisten Marcelo Mercadente ergänzt.
Nahe am Original
Bereits der erste Titel Gallo Ciego (Augustín Bardi) geht mit einem schnellen Klavierpattern rasant zur Sache. Zieht man diverse andere Aufnahmen der Originalkomposition zum Vergleich heran, so ist das Arrangement von José Reinoso um einiges flotter und temperamentvoller, allerdings muss dazu auch nicht im Tangoschritt getanzt werden. Der Charakter der Komposition bleibt trotzdem gut erhalten, die wesentlichen rhythmischen Akzente, sowie die Form sind deutlich an die Originalkomposition entlehnt. Nachdem die Komposition mit Ihrer ABA Form gespielt wurde folgt eine Klavierimprovisation. Die Form bleibt hierbei spürbar aber man bekommt schnell verschiedene Einflüsse zu spüren. Der Pianist José Reinoso arbeitet mit der Sprache des Bebop, vermengt von kurzen Montuno-Figuren bis hin zu avancierter Jazzharmonik ist alles zu hören. Freude bereitet auch die Interaktion unter den Musikern. Bevor die Musiker wieder zur Komposition zurückkehren gibt es noch ein kurzes improvisatorisches Intermezzo zwischen dem Bassisten Horacio Fumero und dem Schlagzeuger Diego Pinera. Äußerst überraschend daher kommt der Schluss des Arrangements. Es endet mit einer unvermittelten Solokadenz des Bassisten.
Die Komposition La cumparsita von Matos Rodriguez erklingt bei Tango Jam als Jazzballade, bestens geeignet für die Triobesetzung. Der Titel Recuerdo von Osvaldo Pugliese wird um den Bandoneonisten Marcelo Mercadante erweitert. Nicht nur das die zusätzliche Klangfarbe des Bandoneons für Abwechslung sorgt, auch bekommt man von Mercadante eine Improvisation am Instrument zu hören. Insgesamt ist auch bei diesem Arrangement die Harmonik am Jazz orientiert, das Schlagzeug begleitet in einem Jazzsamba ähnlichem Feel.
Im neuen Licht
Insgesamt ist die Einspielung Tango Jam ein gelungenes Unterfangen die Tangokompositionen in einem neuen Licht erscheinen zu lassen. Die verschiedenen Einflüsse sind äußerst zahlreich, oft auch nur subtil zu spüren, aber umso abwechslungsreicher gestaltet sich das Album. Das Booklet gibt dem interessierten Hörer einen kleinen Einblick zur Entstehungsgeschichte und Motivation des Albums. Ganz im Sinne einer Hommage an die Tangomusik hat sich José Reinoso das sehr auffällige und stilsichere Artwork von Alfredo Genovese gestalten lassen – die Verzierungen verweisen auf eine ganz besondere Kunstform Buenos Aires, eng mit der Tangotradition verknüpft.
Tango Jam eignet sich besonders für offene Tangoliebhaber, Fans des Klaviertrios, unter Umständen auch für eingefleischte Jazzfans – wenn auch das Gesamtwerk und nicht der einzelne solistische Genius im Vordergrund steht.